0s | Lasst mich noch schnell ein Selfie |
2s | machen, bevor es losgeht. |
5s | Wunderbar und jetzt kann's auch losgehen. |
7s | Da hätten sie gestaunt, die Erfinder aus |
9s | dem 19. Jahrhundert, die ihre Kamera einen |
11s | ganzen Tag aufstellen mussten, um eine |
13s | verschwommene Naturaufnahme hin zu bekommen. |
15s | Und noch vor 20 Jahren hätte ich mir das |
16s | gar nicht leisten können, so viele Fotos |
18s | zu machen. |
19s | Denn damals hatten die Kameras einen Film |
21s | drin. Okay ich habe noch immer eine, aber |
23s | naja, ist trotzdem teuer. Dauerfotografieren |
25s | ging da ganz schön ins |
27s | Geld. |
27s | Jetzt kann ich noch ein Foto machen. Mein |
29s | Handy habe ich ja weggeschmissen, deswegen |
30s | versuchen müssen wir es mal so. Das ist nun was |
34s | geworden und ich kann nicht mal jetzt |
35s | sehen. |
45s | Hallo, ihr Freunde des Lichtbilds. Ich |
47s | bin Felix und heiße euch herzlich |
49s | willkommen zu einer weiteren Folge |
50s | “Einfach Geschichte”. Heute beschäftige ich |
52s | mich damit, wie es dazu kam, dass wir |
54s | alles aufs Foto bannen können. Das mit der |
56s | Fotografie ist eine etwas komische |
58s | Geschichte, denn im Grunde lagen die |
60s | Einzelteile für die Erfindung schon |
61s | lange herum. |
62s | Man wusste seit der Antike, das |
64s | gebündeltes Licht Bilder projizieren kann. |
66s | Ebenso lange kannte man schon die Linse, |
68s | zumindest aus Kristall. Dass Licht |
70s | bestimmte chemische Verbindungen |
72s | zuverlässig färbt, sozusagen Abdrücke |
74s | hinterlässt, erforschte man seit dem |
76s | siebzehnten Jahrhundert. Doch dann |
77s | dauerte es noch mal 200 Jahre, bis alle |
80s | Erkenntnisse zusammen kamen. |
82s | Die einfachste Kamera könnt ihr immer |
83s | noch selbst bauen. Nehmt eine |
85s | Schuhschachtel und macht vorne ein Loch |
87s | rein. Durch das Loch kommt nunmehr ein |
88s | feiner Lichtstrahl und zeichnet auf die |
90s | Rückwand der Schachtel ein umgedrehtes |
92s | Bild von dem, was vor der Schachtel |
94s | stehT. Wenn ihr noch einEN Spiegel schräg |
96s | hinein stellt und dann oben ein Rechteck |
98s | ausschneidet und Butterbrotpapier |
100s | darüberklebt, habt ihr schon einen |
101s | Bildschirm. Das gleiche Phänomen kannte |
104s | man schon im Altertum, zum Beispiel in |
105s | Höhlen mit schmalen Eingängen. Mit etwas |
108s | Geschick und vielen Vorhangsstoffen |
109s | kann man ein ganzes Zimmer in einen |
111s | Projektionssaal verwandeln, womit man im |
113s | antiken China den Hofstaat unterhielt, |
115s | was auch heute noch mancher Fotokünstler, |
117s | wie Abelardo Morell als Performance |
118s | machen. Kamera heißt nämlich ganz einfach |
120s | “kleines Zimmer”. So eine Lochkamera wie die |
123s | Schuhschachtel nennt man Camera Obscura, |
124s | also “dunkles, kleines Zimmer”. Camerae |
127s | Obscurae beschreiben schon Aristoteles |
129s | und Pythagoras vor über 2500 Jahren |
132s | und im Gegensatz zu vielem antiken |
133s | Wissen wurde sie nie ganz vergessen. |
135s | Abmalen musste man das Bild aber noch |
137s | selbst. So fristete die Camera Obscura |
139s | erst mal ihr Dasein als Zeichenhilfe, |
141s | wenn man detailgetreue Abbilder |
143s | erstellen wollte. In einem |
145s | Militärhandbuch aus dem 17. Jahrhundert |
146s | wird sie beispielsweise für diesen Zweck |
148s | erwähnt. Fotografie haben wir, wenn wir |
150s | das Bild auch behalten können. Hier |
152s | konnte erst die anorganische Chemie |
154s | helfen. Silbernitrat und Silberoxid, |
157s | ersteres im 13. Jahrhundert von |
158s | Albertus Magnus entdeckt und zum Wegätzen |
160s | von Warzen verwendet, letzteres von Georg |
163s | Fabritius im 16. Jahrhundert sind hier |
165s | der Schlüssel. |
165s | Beide sonst durchsichtigen Flüssigkeiten |
167s | färben sich schwarz, wenn sie |
169s | Lichtstrahlen ausgesetzt werden. Im Jahr |
171s | 1800 versuchte dann zum ersten Mal |
173s | jemand, diesen fotochemischen Effekt zu |
175s | nutzen, um ein Bild zu erzeugen. |
176s | Thomas Wedgwood legte ein in |
178s | Silbernitrat getränktes Papier in seine |
180s | Camera Obscura. Leider war das Bild sehr |
183s | blass und dazu färbte es sich bald |
184s | komplett schwarz. Klar, betrachten kann |
187s | man es nur bei Licht und Licht verfärbt |
188s | es weiter schwarz. Aber der Anfang war |
191s | gemacht. 1816 erzeugte Nicephore Niepce |
193s | ein klar erkennbares Bild mit Silberchlorid. |
195s | Aber halten konnte er es auch nicht. |
197s | Bald war das Papier komplett dunkel. Ein |
199s | Fixiermittel musste erfunden werden, |
201s | ohne dieses blieb die Fotografie |
202s | allenfalls ein Jahrmarkttrick. Louis |
204s | Daguerre schaffte das erst 23 Jahre |
207s | später, sechs Jahre nach Niepces Tod. Er |
209s | entwickelte durch jahrelanges |
210s | ausprobieren einen komplizierten Prozess, |
212s | der ein blasses vergängliches Vorbild zu |
214s | einem deutlich permanenten Bild werden |
216s | ließ. Die nächsten Jahrzehnte brachten |
217s | zahlreiche Weiterentwicklungen und |
219s | Verfeinerung des Prozesses von einer |
221s | Unmenge an Bastlern und Erfindern. Fotografie |
223s | war zwar möglich, praktisch wurde sie |
225s | aber erst, als George Eastman 1884 und New |
228s | York den Fotofilm vorstellte. Nun |
230s | brauchte nicht jeder Fotograf ein |
232s | Chemiker sein. Film einlegen, fertig. Bahn |
234s | frei für die Kleinbildkamera, den |
236s | Hobbyfotografen und den rasenden |
238s | Reporter, wie mich. Anfang des 20. |
241s | Jahrhunderts, es waren auch schon bewegte |
243s | Bilder erfunden, wurde es spürbar, dass |
245s | die Leute mit der neuen Technik zu |
247s | spielen begannen. Zunächst war Fotografie |
249s | als die ultimative, unbestechliche Form |
251s | des Portraitierens entstanden, was durch |
253s | die unerbittliche Linse auf Papier |
255s | gebrannt wird, ist die Wirklichkeit, Punkt. |
258s | Doch das ist auch ein wenig langweilig. |
261s | Fotografen wie Heinrich Kühn arbeiten |
262s | Anfang des 20. Jahrhunderts |
264s | daran, dass die Wirklichkeit so |
265s | dargestellt werden konnte, wie es sich |
267s | der Fotograf wünschte. So entstanden in |
270s | akribischer Arbeit die ersten |
271s | Weichzeichnerobjektive, die zwar |
273s | unscharfe Bilder lieferten, aber mit |
275s | genau einstellbarer Unschärfe. Zunächst |
277s | war es eine Heidenarbeit gewesen, das |
279s | bild in den ersten kameras über die |
281s | ganze Breite des Bildes gleichmäßig |
283s | scharf zu bekommen. Eine Kameralinse muss |
286s | nämlich achromatisch sein, das heißt beide |
288s | Seiten haben unterschiedliche Krümmungen. |
290s | Die ersten dieser Linsen wurden für die |
292s | Medizin von William Hyde Wollaston Anfang |
294s | des 19. Jahrhunderts entwickelt. |
295s | In Daguerres Apparat von 1839 war eine |
298s | Weiterentwicklung dieser Linse schon |
300s | Standardausstattung. Und dann kamen eben |
302s | die Fotografen des frühen 20. |
304s | Jahrhunderts und erfanden das, was Instagrambilder |
306s | eben ausmacht: Bewusst gewählte |
308s | Unschärfen und Verzerrungen. |
310s | Und das lange vor Instagram. Überhaupt, Kunst, |
312s | sie sähe ohne Fotografie heute ganz |
315s | anders aus. Als die neue Technik den |
317s | Malern den Rang beim Porträtieren ablief, |
319s | erfanden diese flux neue Stile, um die |
321s | Wirklichkeit nicht so zu malen, wie sie |
323s | möglicherweise ist, sondern wie man sie |
325s | empfinden kann. |
326s | Einer der ersten riesen Skandale der |
329s | Kunstgeschichte war ein Crossoverprojekt. |
331s | Marcel Duchamps “”Weiblicher Akt - |
333s | eine Treppe hinunter steigen” kombinierte |
335s | 1913 Serienfotografie, Kubismus und eine |
338s | nackte Frau zu einem Gemälde, das die |
340s | Sittenwächter in den USA und Europa auf |
342s | die Barrikaden brachte. |
344s | Doch alles Zetern half nichts, auch die |
346s | Aktfotografie etablierte sich. Genau |
349s | genommen war sie da, kaum dass es die |
350s | ersten Fotoapparate gab. Schon 1845 hatte |
353s | sich in Paris ein Markt mit erotischen |
355s | Fotografien etabliert. Damals als Unikate |
358s | und rein offiziell nur für Studienzwecke |
360s | für angehende Maler gedacht. Heute |
362s | empfinden wir diese Studien wohl als |
365s | ziemlich zahm, aber da sie von |
366s | tatsächlich berühmten Künstlern wie Eugene |
368s | Delacroix stammen, wären sie |
370s | unbezahlbar. |
371s | Was fehlt noch? Farben. Sie kamen ein wenig |
375s | später als die Akte. Die ersten |
377s | Farbaufnahmen stammten aus dem Jahr 1861. |
379s | Thomas Sutton kombinierte drei Aufnahmen, |
382s | die er durch Rot-, Grün- und Blaufilter |
384s | gemacht hatte, zu einer einzelnen |
385s | Farbe. Ähnlich wie bei der |
387s | schwarz-weiß-Fotografie ging es nun |
389s | stetig in kleinen Schritten von |
391s | Verbesserung zur Verbesserung. Wieder |
393s | war es Eastmans Firma, die den ersten |
395s | Farbfilm auf dem Markt brachte und so |
397s | die Farbfotografie massentauglich machte. |
399s | Das geschah allerdings erst 1935. |
402s | Farbfilm blieb jahrelang wesentlich |
404s | teurer als schwarz-weiß-Film, weswegen |
406s | sich die Farbfilmfotografie bei den |
408s | Amateuren erst in den 50er Jahren |
409s | verbreitete. Das Prinzip von Kodachrome, |
412s | wie der Film hieß, wird übrigens auch |
414s | bei modernen Filmen noch verwendet. Die |
416s | Chemie wird dann eigentlich mit der |
418s | Digitaltechnik überflüssig. Gleich bleibt |
420s | die jahrtausendealte Kamera, gleich |
422s | bleiben die jahrhundertealten Linsen. |
424s | Doch schon seit 1957 existieren Chips, |
427s | die auf Licht reagieren und Daten |
428s | produzieren, die gespeichert werden |
430s | können. Die erste Generation dieser Chipps |
432s | produzierten aber nur Bilder mit einer |
434s | Auflösung von 176 x 176 Pixel. Bis sie in |
438s | unseren Kameras landen, damit wir täglich |
440s | alles fotografieren können, was uns so |
441s | über den Weg |
442s | läuft, waren ein paar Jahrzehnte |
443s | Entwicklung notwendig. Heute haben sie |
446s | dem Analogfilm schon lange den Rang |
447s | abgelaufen. |
448s | Diese Technik ist wieder etwas für die |
450s | reinen Fotokünstler geworden. |