7s | Auch er hätte ein Opfer der Mauer sein können: |
10s | Joachim Rudolph, damals Anfang 20, Student aus Ostberlin. |
14s | Auch er hätte bei seiner Flucht aus dem Osten getötet werden können – so wie sie. |
19s | Der 13. August 1961 verändert alles: |
23s | Panik, Verzweiflung, viele entschließen sich zur Flucht. |
33s | Das haben wir uns dann in dem Moment erst klar gemacht, |
37s | durch viele Gespräche, dass wir eigentlich keine Perspektive mehr haben. |
42s | Und das hat uns dann eben veranlasst, |
45s | diesen Fluchtweg zu suchen. |
46s | Natürlich war uns auch klar, |
48s | das war ja schon Ende September '61, |
51s | da hat's bereits Mauertote gegeben, |
53s | dass das nicht ganz ungefährlich war, |
55s | aber uns war es das Risiko wert, |
57s | und wir haben es dann eben gemacht. |
63s | Die Mauer: Sie zerstört die Zukunftspläne des jungen Studenten. |
67s | Eingemauert im Osten, sieht er keine Perspektive. |
70s | Rudolph will raus aus der DDR. |
73s | Auf der anderen Seite in WestBerlin wohnt Klaus Köppen. |
76s | Auch ihn schockt der Bau der Mauer. |
78s | Denn seine Verlobte wohnt in Ostberlin. |
80s | Von einem Tag auf den anderen dürfen sie sich nicht mehr treffen. |
84s | Die Berliner Mauer reißt das junge Paar auseinander. |
92s | Mir ist natürlich erst mal durch den Kopf gegangen: |
94s | Was passiert denn jetzt hier? |
95s | Wie geht denn das denn jetzt weiter? |
96s | Ich hatte dann ja natürlich auch große Sorge gehabt, |
98s | weil ja meine Verlobte drüben hier ein Stück weiter runter dieser Straße, |
101s | da um die Ecke auch gleich gewohnt hatte, nicht. |
105s | Wir dachten natürlich erst mal, |
107s | das ist bloß eine Übung, das geht ja nicht so weiter. |
109s | Man hat ja erst später mitgekriegt, wie sich das alles so entwickelt. |
112s | Man dachte ja, das ist ja nur erst mal noch nicht mal so schlimm |
114s | und wird sich halt noch ein Weg finden. |
116s | Vielleicht machen sie ja auch dann mal einen Übergang auf, |
118s | wo man mal rüber gehen kann oder irgend so was. |
120s | Aber im Nachhinein hat sich ja dann rausgestellt, |
122s | dass das ja immer schlimmer wurde für uns, |
123s | dass wir ja gar keine Möglichkeit mehr hatten mehr, |
126s | uns irgendwie zu sehen. |
128s | Im Osten entschließt sich der Student Joachim Rudolph zur Flucht. |
132s | Im September 1961 schleichen er und sein Freund bei Nacht |
136s | durch die Grenzanlagen im Norden Berlins: |
138s | vorbei an Wachtürmen, bewaffneten Grenzsoldaten, Suchhunden. |
142s | Sie haben Glück. |
144s | Wir haben also dann in etwa vier Stunden vom Ausgangspunkt, |
149s | vom Anfang des Feldes das Fließ erreicht |
152s | und sind dann durch das Fließ durch, |
155s | Grenzbefestigung, Zaun hatten wir nicht gesehen. |
158s | Auf der anderen Seite dann raus und zu einer großen Eiche gerannt |
163s | und sind uns erst mal um den Hals gefallen. |
167s | Der West-Berliner Klaus Köppen ist zu diesem Zeitpunkt noch immer |
170s | von seiner Verlobten im Osten getrennt. |
172s | Nach Monaten gelingt es ihm, ein Visum zu bekommen. |
175s | Der Grenzübergang Bornholmer Straße ist für ihn |
177s | die einzige Möglichkeit, sie für Stunden zu sehen. |
184s | Und bin ab Januar 1962 regelmäßig jeden Sonntag und manchmal auch |
190s | ab und zu unter der Woche zu meiner Verlobten rüber gefahren, |
194s | um sie zu besuchen und teilweise auch dann Sachen mitzunehmen, |
198s | Südfrüchte oder Bekleidung, was ich ihr dann gekauft habe, |
201s | weil es ja im Osten ja nicht so 'ne modischen Sachen gegeben hat. |
204s | Und wie gesagt, später, 1964, ist ja unsere Tochter geboren, |
210s | und wie gesagt, da bin ich dann noch öfter rüber gefahren, |
213s | um das Kind noch zu sehen. |
215s | Die Mauer scheint unüberwindbar. |
217s | Trotzdem versuchen die Menschen zu entkommen. |
221s | Der entflohene Joachim Rudolph ist einer der ersten, |
224s | der vom Westen aus einen Tunnel unter der Bernauer Straße gräbt. |
228s | 29 Menschen kriechen darin in die Freiheit, |
232s | dokumentiert auf diesen Filmaufnahmen. |
234s | Auch Rudolphs spätere Frau Eveline ist dabei und ihre einjährige Tochter. |
239s | Die Flucht verändert ihr Leben. |
242s | Eveline heiratet ihren Fluchthelfer. |
245s | Seit 40 Jahren leben die beiden im Westen Berlins. |
251s | Wenn es jetzt also diese ganzen Geschichten nicht gegeben hätte, |
254s | Mauer und Tunnel, was hätte sich das Schicksal eigentlich einfallen müssen, |
257s | damit ich meinen Mann kennenlerne. |
259s | Das denke ich wirklich manchmal ganz verstärkt, |
262s | eigentlich, ja, vielleicht gibt es ein Schicksal, |
266s | und eigentlich hätten wir ja zusammenfinden müssen, aber wie. |
271s | Der West-Berliner Klaus Köppen kämpft bis 1965 um seine Familie. |
275s | Dann werden Frau und Tochter freigekauft. |
278s | 50 Jahre später wissen beide Männer: |
280s | Der Kampf um die Freiheit hat sich gelohnt. |
283s | Ja man konnte jetzt sagen was man wollte, |
285s | und konnte argumentieren und frei seine Meinung sagen. |
290s | Die Mauer – heute eine Gedenkstätte an der Bernauer Straße im Herzen Berlins. |
295s | Vor mehr als 20 Jahren wurde sie eingerissen. |
298s | Doch für Joachim Rudolph und Klaus Köppen |
300s | ist sie bis heute ganz real. |