3s | Alle Menschen auf der Welt lieben Musik. |
6s | Der Musikgeschmack ist sehr unterschiedlich, aber keine Kultur kommt ohne sie aus. |
10s | Doch warum ist Musik ursprünglich überhaupt entstanden? |
16s | Die nächsten Verwandten des Menschen scheinen auf den ersten Blick wenig musikinteressiert zu sein. |
26s | Auch sie bringen Geräusche und Laute hervor, die ganz klar Emotionen mitteilen. |
36s | Aber erst dem Menschen wird die Erfindung der Musik zugeschrieben. |
41s | Sie aktiviert weite Bereiche des menschlichen Gehirns, weckt Assoziationen und Emotionen |
47s | und hat ihren Ursprung möglicherweise in einer Art vorsprachlichen Kommunikation. |
65s | Doch warum begeisterte sich der Mensch für bestimmte Klänge? |
77s | Einer Theorie zufolge soll Musik und Tanz ursprünglich bei der Partnerwahl eine Rolle gespielt haben |
83s | - wie hier beispielsweise bei den Massai. |
88s | Beim Tanzen kann man sich hervortun |
90s | und einen möglichen Partner durch Stil und Ausdauer beeindrucken. |
98s | Keine Frage, Musik hatte zu allen Zeiten und überall auf der Welt auch eine erotische Komponente. |
106s | Aber ist dieser Aspekt tatsächlich der Ursprung von Musik und Tanz? |
114s | Ein Wissenschaftlerteam des Max-Planck Instituts für Entwicklungspsychologie untersucht, |
118s | was genau beim Musizieren passiert. |
121s | „Musik ist tatsächlich strukturierte Zeit |
124s | und vermutlich macht es Menschen auch deswegen so viel Freude, |
129s | miteinander zu musizieren, |
130s | weil es ihnen gelingt, ihr Empfinden, ihr Handeln aufeinander abzustimmen. |
135s | Und das Gehirn als das Organ, das unser Handeln steuert, |
139s | nutzt auch wiederum Wellen und Schwingungen, um zu funktionieren.“ |
148s | Fünf Gitarristen einer Meisterklasse zeigen etwas, |
152s | das physikalisch gesehen überhaupt nicht möglich sein sollte: |
155s | Das Spiel im Ensemble. |
158s | Aufnahmen von Zeitlupenkameras und Hirnstrommessungen belegen, |
162s | dass sich die Spieler optimal synchronisieren. |
170s | Das Forschungsteam um Professor Lindenberger ist weltweit das erste, |
174s | das diese Synchronisation nachgewiesen hat. |
182s | Die Wissenschaftler interessiert, wie genau es die Musiker schaffen, |
186s | harmonisch zusammenzuwirken. |
189s | Die Synchronisation funktioniert sogar, |
191s | wenn die Gitarristen unterschiedliche Stimmen desselben Stückes spielen. |
197s | Wird eine Saite angeschlagen, entsteht innerhalb von Millisekunden ein Ton, |
202s | schneller als bei den meisten anderen Instrumenten. |
205s | Keines der Ensemble-Mitglieder könnte darauf schnell genug reagieren. |
213s | Die Kommunikation muss also schon vorher erfolgen. |
217s | Erster Hinweis: Das Spiel im Ensemble funktioniert nur, |
220s | wenn die Musiker einander sehen können. |
223s | Die Psychologen vermuten, |
224s | dass die Angleichung der Hirnwellen durch Mimik und Gestik ausgelöst wird. |
230s | Winzige, nur Bruchteile von Sekunden dauernde Signale, |
233s | die erst durch Zeitlupenaufnahmen sichtbar gemacht werden. |
239s | „Musik ist Bewegung. |
241s | Wenn wir daran denken, wie wir die Töne erzeugen, |
244s | und auch wie Musiker miteinander umgehen, sie schauen sich an, sie geben Einsätze – |
249s | von daher ist für uns die Grenze zwischen Musik und Bewegung gar nicht vorhanden.“ |
255s | Musik und Bewegung: |
256s | Beides zusammen dient der Kommunikation. |
259s | Das funktioniert sogar, wenn die Musik nicht live gespielt wird. |
263s | Durch die Musik fühlt sich der Hörende mit seiner Lieblingsband und anderen Fans verbunden. |
271s | Sogar wenn nicht alle dieselbe Musik hören, kann es mit dem Gruppenerlebnis klappen. |
276s | Bei einer Silent-Party feiern zwar alle zusammen, |
278s | aber die farbig beleuchteten Kopfhörer zeigen: |
281s | Nicht alle haben denselben Musikgeschmack. |
285s | Klar ist offenbar: |
287s | Musik synchronisiert sogar große Gruppen, aber welchen Vorteil brachte das? |
294s | Möglicherweise half die koordinierte Bewegung einer Gruppe ursprünglich bei der Jagd. |
300s | Wer zeitlich aufeinander abgestimmt angreift, |
303s | hat mehr Aussicht darauf, ein Tier zu erlegen. |
308s | Dasselbe gilt für den Kampf. |
310s | In vielen Kulturen stimmen sich Krieger durch Tänze auf eine Auseinandersetzung ein. |
317s | Auch die Marschmusik diente ursprünglich dazu, |
319s | die geordnete Fortbewegung im Gleichschritt zu ermöglichen, |
323s | um einem Feind geordnet entgegenzutreten. |
328s | Eine zweite Theorie hält daher die Jagd oder kriegerische Auseinandersetzungen |
333s | für den Ursprung der Musik. |
338s | Da die Musik überall in unserem Alltag präsent ist, |
341s | können ihre Wurzeln sogar noch weiter zurückreichen. |
345s | „Jetzt haben wir über Musiker geredet, wir haben über Tanz geredet, |
348s | aber natürlich kann man auch an Liebende denken. |
351s | Man kann auch denken an das, was zwischen Mutter und Kind |
353s | in den ersten Stunden nach der Geburt und danach passiert. |
357s | Das heißt, dieses sich aufeinander einstellen ist von fundamentaler Bedeutung |
362s | für unser soziales Zusammenleben.“ |
366s | Die Mutter/Kind-Bindung beim Menschen unterscheidet sich grundsätzlich |
369s | von der bei anderen Primaten. |
371s | Affenkinder halten sich zum Beispiel selbständig an ihrer Mutter fest, |
375s | sodass diese auf Futtersuche gehen kann. |
378s | Menschenbabys werden viel unreifer geboren. |
382s | Eine dritte Theorie geht davon aus, dass Mütter die Musik erfunden haben könnten, |
387s | um Kontakt zu ihren Babys zu halten, |
389s | wenn sie sie während der Futtersuche ablegen mussten. |
392s | Für diese Annahme spricht aus neurowissenschaftlicher Sicht, |
395s | dass das scheinbar nutzlose Singen |
397s | den größten Nutzeffekt für die Entwicklung von Kindergehirnen hat. |
406s | Ob nun die Mutter/Kind-Beziehung, die Paarsuche oder das Marschieren |
410s | die Musik hervorgebracht hat, sicher ist, dass die Musik hilft, |
414s | Menschen bei gemeinsamen Unternehmungen zu koordinieren. |
420s | Und vielleicht ist es genau das, |
422s | was den Menschen letztlich von allen anderen Wesen unterscheidet. |